Mittwoch, 18. März 2015

3 Jahre, 8 Monate, 20 Tage...

So lange dauerte die Herrschaft der Roten Khmer (Khmer rouge) in Kambodscha. Lena und ich waren an einem Tag zuerst im Genozidmuseum in Phnom Penh und dann bei den sog. "killing fields" etwas außerhalb der Stadt. es hat ein bisschen gedauert bis ich diesen Blogeintrag geschrieben hatte und er ist auch sehr heftig geworden. Wenn ihr ihn lest werdet ihr vielleicht die Gemeinsamkeiten mit so vielen anderen Berichten aus ähnlichen Zeiten (u.a. der Nazizeit in Deutschland) bemerken. Die  Tatsache, dass so etwas immernoch passiert und wahrscheinlich immer wieder passieren wird ist schrecklich und regt zum Nachdenken an. Ich glaube das ist es auch was mich am meisten mitgenommen hat: Alles schonmal dagewesen. Die menschliche Grausamkeit, Dummheit und Ignoranz kennt keine Grenzen und das wird sich auch nicht ändern.

Ich habe kein einziges Foto an diesem Tag gemacht. Im Gegensatz dazu haben nämlich die Roten Khmer sehr penibel ihre Opfer fotographiert und diese Grausamkeiten nochmals abzulichten konnte ich einfach nicht. Das Genozidmuseum ist im ehemaligen Foltergefängnis "Tuol Sleng" untergebracht, davor war es eine Schule. Die Ausstellung dort besteht nun hauptsächlich aus Fotos. Von jedem neuen Gefangenen wurde bei der Aufnahme ins Gefängnis ein Foto gemacht. Von den gefolterten Leichnamen wurden dann auch wieder Fotos gemacht. Unser Bedarf an Grausamkeiten war nach dem ersten Gebäude (die ehemaligen Zellen) bereits gedeckt... dann kamen noch drei weitere Gebäude.
Anstelle von Fotos nun also ein paar geschichtliche Fakten: Ab Anfang der 70er Jahre wurde der Vietnamkrieg sukzessive auf die Nachbarländer ausgeweitet. Genauer gesagt, die USA haben Kambodscha mit reingezogen weil einige Vietcong über die Grenze geflohen waren. Innerhalb von wenige Jahren starben ca 200 000 kambodschanische Zivilisten im Bombenhagel der USA. Das Resultat war ein massiver Zulauf für die kommunistischen Roten Khmer die gegen General Lon Nol und dessen Regierung kämpften. Lon Nol war im Jahr 1970 durch einen von den USA unterstützten Putsch an die Macht gekommen.
Am 17. April 1975 wurde die Hauptstadt Phnom Penh von den Roten Khmer unter der Führung Pol Pots eingenommen. Zunächst wurden sie als Befreier gefeiert. Die Stimmung kippte jedoch schnell, als die Roten Khmer bereits Stunden nach der Eroberung damit begannen die Stadt zu evakuieren. Per Zwang und buchstäblich über Nacht sollte aus Kambodscha ein reiner Bauernstaat werden. Die Roten Khmer schlossen sämtliche Universitäten, Schulen, Tempel und Krankenhäuser. "Intellektuelle", also alle Menschen mit höherer Schulbildung (aber auch Menschen die z.B. eine Brille trugen oder eine Fremdsprache konnten) galten als "Ungeziefer" und "neue Menschen" die es auszurotten galt. Die Bewohner aller größeren Städte wurden gezwungen ihr gesamtes Hab und Gut zurückzulassen um aufs Land zu ziehen und dort zu arbeiten. Die Arbeit dort (hauptsächlich Reisanbau für den Export) war hart und es gab zu wenig zu essen. Da es keine Ärzte mehr geben sollte, ist das ohnehin schlechte Gesundheitssystem komplett zusammengebrochen. Viele der Toten dieser Zeit waren auf Hunger und dadurch ausgelöste Krankheiten zurückzuführen.

Was sich allerdings in Toul Sleng und auf den Killing Fields abgespielt hat, lässt sich kaum beschreiben. Ich möchte etwas ausholen: Die Roten Khmer bestanden offiziell aus gleichberechtigten "Brüdern". Wie bei anderen Beispielen aus der Geschichte gab es auch bei ihnen allerdings einen "Bruder Nummer 1", Pol Pot. Er, der eigentlich Saloth Sar hieß und später alle studierten Menschen hinrichten ließ, studierte in Paris Radioelektronik und wurde Lehrer. Überhaupt bestand die erste Reihe der Roten Khmer durchgehend aus Menschen die in Frankreich studiert hatten und sich dort im Dunstkreis der französischen kommunistischen Partei aufgehalten hatten. Pol Pot selbst war ziemlich paranoid, das hat sich auch auf den Rest der Partei übertragen. Um nach Spionen und anderen Feinden zu suchen, verließ man sich nicht nur auf Spitzel. Gefangene "Verräter" wurden systematisch gefoltert bis sie andere Personen denunzierten. Das größte und berüchtigste Foltergefängnis war Tuol Sleng in Phnom Penh. Hierher kamen hochrangige Mitglieder der Partei oder des Militärs die in Ungnade gefallen waren. Von den über 20 000 Menschen die an diesem Ort landeten, konnten nach dem Ende der Roten Khmer 7 lebendig befreit werden, darunter 5 Kinder.

Die einzelnen Foltermethoden sind im Gefängnis genau beschrieben. Was das Ganze so eindrücklich macht ist die Tatsache, dass es alles genau in den Räumen stattgefunden hat in denen man sich gerade befindet. Und das vor nicht sehr langer Zeit. Und natürlich die Fotos. Immer wieder Stellwände voller Fotos von verstümmelten Leichen. Der Sinn dahinter ist Abschreckung, nichts soll verheimlicht werden wie es während der Zeit der Roten Khmer passierte. Die ganze Welt hat damals zugeschaut, unwissend, das Regime unterstützend (gegen USA zu sein war damal "in" in Europa). Vor allem Schweden hat dabei eine unrühmliche Rolle gespielt. Als eine der wenigen Nationen die Abgesandte in das abgeschottete Kambodscha senden durfte, hatte Schweden die einmalige Möglichkeit einen Einblick in das Land zu bekommen. Die Delegierten jedoch, allesamt begeisterte Kommunisten und Verehrer Maos (der das gleiche ja in China probiert hatte), haben versagt. Auf ganzer Linie. Sie haben einfach die Show die ihnen die Partei vorspielte geschluckt und fanden sogar noch verständnisvolle Worte dafür, dass ein paar Tote schon gerechtfertigt seien um das Große Ganze zu vollbringen. Nur ein Mitglied der damaligen Delegation hat sich bisher öffentlich entschuldigt.


Nach dem Museum ging es direkt weiter zu den Killing Fields außerhalb der Stadt. Wie der Name schon sagt wurden hier die zum Tode "verurteilten" (einen richtigen Prozess gab es nicht) hingebracht nachdem der Hof von Toul Sleng für die Leichen nicht mehr ausreichte. Das Killing Field "Choeung Ek" ist nun eine Gedenkstätte für die Opfer der Roten Khmer. Man bekommt einen Audio-Guide (auf deutsch) der sehr eindrücklich die Geschichte dieses Ortes wiedergibt. Choeung Ek liegt ca 45 Minuten außerhalb der Stadt. Die Gefangenen wurden in geschlossenen Lastwagen dorthin gebracht. Man hatte ihnen erzählt sie würden freigelassen werden damit sie ruhig blieben. Einmal angekommen, wurden sie jedoch sofort zu vorher ausgehobenen Gruben geführt. Sie mussten sich vor den Gruben niederknien, dann wurden sie mit Knüppeln, Stöcken, Macheten und was gerade zur Hand war ermordet. Kugeln wären zu teuer gewesen. Um den Gestank zu überdecken und auch um etwaige Überlebende zu töten wurde dann das Insektizid "DDT" über die Körper gesprüht. Dann wurden die Gruben zugeschüttet. Das alles geschah immer nachts, bei Scheinwerferlicht. Und bei lauter Musik, um die Schreie zu übertönen. Als man die Gruben nach dem Ende des Regimes fand, fand man auch Frauen, Kinder und Babies unter den Toten. Nach dem Motto der Roten Khmer "Wenn du Gras jäten willst musst du die Wurzel rausziehen", wurde jeweils die gesamte Familie eines "Verräters" getötet. Die Babies wurden dazu mit dem Kopf gegen einen Baum geschlagen bis sie tot waren. Auch von dem Baum hätte ich ein Foto machen können. Habe ich aber nicht.

Es gibt ungefähr 20000 solcher killing fields in Kambodscha. Man schätzt, dass eine gute Million Menschen dort umgebracht wurden. Zusammen mit den anderen Toten sind schätzungsweise 1,7 bis 2,5 Millionen Kambodschaner dem Regime der Roten Khmer zum Opfer gefallen. Das ist fast ein Viertel der Gesamtbevölkerung.

Es gibt natürlich noch viel mehr über diese knapp vier Jahre Kambodschas zu berichten. Ich habe vor mich etwas über das Thema zu informieren und dann auch mal ein Bücher- und Artikelliste online zu stellen.

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